Die Tribute von Panem

Heute geht es mal nicht um Filme, sondern um Bücher. Im weiteren Verlauf kann es hier zu massiven Spoilern kommen, wer aber die Bücher gelesen oder die ersten beiden Filme gesehen hat, kann jetzt erst einmal in Ruhe weiter lesen. Ich habe mir Anfang des Jahres, nachdem ich Catching Fire im Kino gesehen habe und einfach wissen wollte, wie es nach dem fiesen Cliffhanger weiter geht, die Trilogie in Buchform bestellt. Allerdings hab ich diese dann bis vor vier Wochen nicht angerührt, weil mir einfach die Motivation fehlte, mich durch die drei Bücher mit je ca. 420 Seiten zu kämpfen.
Ein Kampf sollte es werden, aber ganz anders als gedacht. Denn die Bücher von Suzanne Collins sind so gut geschrieben, dass ich wirklich zügig voran kam und für die ersten zwei Bände keine vier Tage gebraucht habe. Nur beim dritten Band machte mir erst die mangelnde Freizeit, dann die WM und zu guter Letzt meine Gesundheit einen Strich durch die Rechnung. Ich kam einfach nicht dazu weiter zu lesen, obwohl es doch wirklich spannend und von jetzt an auch für mich, als Person die den Inhalt bis dahin aus den Filmen bereits kannte, völliges Neuland war. Gestern Abend habe ich es dann allerdings geschafft, die zweite Hälfte des dritten Bandes in einem Rutsch während England – Uruguay und Japan – Griechenland lief durch zu schmökern. Normalerweise hätte ich das Buch nach einigen Kapiteln wieder weg gelegt und versucht zu schlafen, aber es war mir nicht möglich, denn die Spannung und die vielen, unerwarteten Wendungen, ließen gar nichts anderes zu, als einfach dabei zu bleiben und die Geschichte von Katniss Everdeen zu verfolgen.
Für die unter euch, die jetzt gar nichts wissen, worum es geht, gibt es hier einen groben, Spoiler freien Abriss der Rahmenbedingungen. Die Tribute von Panem spielen in Panem, den ehemaligen USA, welche nach einem Krieg ziemlich ausgedünnt sind und nur noch in die Hauptstadt, das Kapitol und 12 Distrikte unterteilt ist. Jeder Distrikt ist auf eine Warengruppe spezialisiert. Distrikt 8 ist z.B. für die Herstellung von Kleidung und anderen Textilien zuständig, wohingegen Distrikt 4 auf Fischerei spezialisiert ist. Distrikt 12, aus dem die Hauptcharaktere dieser Reihe stammen, liefert Kohle. All die Distrikte stehen dabei unter starker Überwachung des Kapitols, welches seine Macht in ziemlich martialischer Art demonstriert. So stehen Auspeitschungen und Erschießungen für vermeintliches Fehlverhalten auf der Tagesordnung. Beim Eintritt in die Geschichte gibt es bereits seit über 70 Jahren die sogenannten „Hungerspiele“ in Panem. Eine Perverse Unterhaltungssendung für die Bewohner des Kapitols und eine Strafe und Erinnerung an die Macht eben jenes Kapitols an die Distrikte. In die Hungerspiele muss jeder Distrikt ein männliches und weibliches Tribut, im Alter von zwölf bis achtzehn Jahren schicken, wo diese dann wortwörtlich um Leben und Tod kämpfen müssen. Frei nach „the last man standing“ müssen sich diese Kinder in der jedes Jahr anders hergerichteten Arena bekämpfen und umbringen. Der letzte überlebende eines jeden Jahres wird als Sieger gekürt, mit Reichtum überschüttet und kann sein Leben in relativ hohem Luxus zu Ende bringen.
Beim Fest der Ernte wird Prim Everdeen, die kleine Schwester von Katniss, der eigentlichen Hauptfigur gezogen, worauf hin sich eben diese aber freiwillig meldet, um ihre Schwester zu schützen. Von nun an geht eine aus unserer Sicht absurde, abartige und vor allem extrem spannende Reise los, die uns nicht nur Blicke in das perverseste Spiel der Menschheit gewährt, sondern auch noch Platz für ein wenig Humor, einen wahnsinnigen Plan und natürlich auch die Liebe bietet. Dabei ist die Story mit so vielen irren und kaum vorhersehbaren Wendungen versehen, das man manchmal einfach eine Pause braucht, um das gerade geschehene auch zu verarbeiten.
Ab hier warne ich die völlig unbetuchten vor kleinen Spoilern zu den ersten zwei Bänden bzw. Filmen vor. Die zwei bisher veröffentlichten Filme halten sich zum Großteil sehr nah an die Buchvorlagen. Hier und da wurden Szenen zwar umgeschrieben und sogar Charaktere gestrichen, dies war aber in meinen Augen alles zu verschmerzen. Der Aufenthalt in der Arena kommt einem im ersten Film nur wie ein paar Tage vor, im Buch sind es dann doch schon ein paar Wochen. Allein das Ende vom letzten Tribut, bevor nur noch Katniss und Peeta übrig sind, dauert im Buch mehrere Stunden, ist im Film aber in kurzer Zeit abgehandelt. Auch das Peeta sein Bein verliert und dafür eine Prothese bekommt, wird im Film nicht gezeigt. Es sind die vielen Detailaufnahmen, die das Buch intensiver, den Film im Vergleich aber nicht schlechter machen. Tagelanges warten in einer Höhle oder ewig andauernde Aufnahmen von Katniss, wie sie wilde Tiere jagt, häutet und verspeist, hätten zwar den Inhalt des Buches wieder gespiegelt, den Film aber auch in die Länge gezogen. Anders herum fand ich es sehr schade, dass die Szene nach Rues tod im Film ganz anders dargestellt wurde, als im Buch. Dort senden die Hinterbliebenen von Rue mit ihren wenigen finanziellen Mitteln Brot aus aus Distrikt 11 in die Arena um Katniss für ihre Fürsorge um das kleine Mädchen, dass sie in ihre eigene Schwester erinnerte, zu danken. Insgesamt eine der emotionalsten Szenen im ganzen Buch. Im Film hingegen schickt Distrikt 11 kein Brot, sondern zettelt einen Aufstand an, der sofort mit aller Gewalt nieder gestreckt wird. Insgesamt gab es immer wieder mehr oder weniger schwer wiegende Änderungen, auf die ich aber jetzt nicht weiter eingehen will.
Ab jetzt geht es um Band drei – Flammender Zorn. Der dritte Band hat mich einfach geflasht und ich bin mir momentan noch nicht sicher, ob das ganze nicht sogar eine Spur zu viel war. Die Ereignisse überschlagen sich einfach. Zu Beginn ist Katniss noch schwer verwundet und in der Hand der Rebellen, die Katniss als ihr Gesicht für den Widerstand haben wollen. Kurz darauf wird der Heimatdistrikt von Katniss und Peeta zerbombt, Peeta entführt und so manipuliert, dass er Katniss, in die er eigentlich abgöttisch verliebt ist, nur noch töten will und ehemalige Feinde werden zu verbündeten. Es gibt Verfolgungsjagden, noch mehr Wirrungen in Sachen Liebe und Tote, jede Menge Tote. Das ist einer meiner größten Kritikpunkte, es sind einfach Menschen gestorben, von denen ich es nicht nur nicht erwartet hätte, nein manche, wie Katniss Schwester, haben es auch einfach nicht verdient gehabt. Auch dass Katniss sich immer mehr von ihrem besten Freund Gale entfernt und ihn am Ende sogar gegen Peeta eintauscht hat mir missfallen, gab es so etwas wie Teams in der Frage, war ich definitiv im Team Gale. Letztendlich passt aber alles in die völlig abstrakte und aus unserer Sicht unwirkliche Welt von Panem. Gespannt bin auf die filmische Umsetzung. Als ich hörte, dass der dritte Band in zwei Filme aufgeteilt wird, war ich erst einmal skeptisch und sah nur die Dollar-Zeichen in den Augen der Produzenten. Nachdem ich nun aber das Buch gelesen habe, bin ich froh darum, dass man sich mehr Zeit für die Umsetzung nimmt, denn die Ereignisse überschlagen sich teilweise so schnell und Situationen ändern sich selbst im Buch in einem Tempo, dass ein zwei Stunden Film dies alles alleine gar nicht fassen könnte.
Die Tribute von Panem ist mit eine der heftigsten Geschichten, die ich je gelesen habe. Doch jeder Satz hat sich zu lesen gelohnt. Es war eine spannende, mitunter auch zermürbende Reise nach Panem und auch nach dem ziemlich ernüchternden Ende, das weit entfernt von einem Happy End ist, muss ich sagen, dass es so genau richtig ist. So setzt sich Suzanne Collins Geschichte von Katniss Everdeen, dem Mädchen das in Flammen stand von dem ab, was man heutzutage sonst so aufgetischt bekommt und bedient eine Nische, in der eine junge Frau zur tragischen Heldin wird ohne dabei auf nervige Naivität, den üblichen Kitsch und glitzernde Vampire zu setzen. Ob Film oder Buch, beides ist sehens- bzw. lesenswert und ich kann beides nur wärmstens empfehlen.
Kommentar verfassen