Nintendo Switch 2: Viel Aufwand für wenig Veränderung?

Nintendo Switch S/W

Nintendo-Switch-2-developers-1 Nintendo Switch 2: Viel Aufwand für wenig Veränderung?

Nintendo hat den vierten Teil der Interviewreihe Ask the Developer zur kommenden Nintendo Switch 2 veröffentlicht und auch wenn PR-Sprache und Entwicklerenthusiasmus wie immer mit am Tisch saßen, lohnt sich ein genauer Blick auf die dort getroffenen Aussagen. Denn manches lässt sich zwischen den Zeilen doch ganz gut herauslesen wohingegen anderes weiterhin nebulös bleibt.

Bevor ich jetzt ins Detail gehe, möchte ich zum einen noch auf die ersten drei Interviews in aller Kürze eingehen. Zum anderen möchte ich aber auch noch einmal klarstellen, dass ich Nintendo und die Switch hier nicht grundlos bashen, sondern mich einfach differenziert damit auseinandersetzen will. Warum das so ist, könnte an meiner eigenen Historie mit dem japanischen Konzern liegen oder einfach daran, dass ich älter geworden bin. 😉 In meiner Jugend war ich aber lange Zeit das, was man einen Nintendo Fanboy nennen kann. Neben Nintendo gab es lange nichts für mich und selbst als ich mich dazu durchringen konnte, auch mal über den Tellerrand zu gucken, war die Hardware aus dem Hause Nintendo immer meine Home Base. Das änderte sich eigentlich erst mit der Wii und der Xbox 360. Auch wenn Big N für mich heute nicht mehr das ist, was es mal war, bin ich emotional sehr tief mit den Konsolen und Spielen der Japaner verbunden. Darum wünsche ich mir bei jedem neuen Produkt, egal ob Hard- oder Software, dass die kreativen Köpfe hinter Mario, Kirby und Zelda ordentlich abliefern.

Rückblick auf die ersten drei Interview Sessions

Aber genug von mir, steigen wir in die erste Entwickler-Interview-Session ein. Es ging vor allem darum, dass Nintendo an seinem „Hybrid-Konzept“ der Switch, also Mischung aus stationärer Konsole und einem Handheld, festhalten wollte. Es ging daher nicht um eine Revolution, sondern Evolution, man wollte genau das weiterentwickeln, was an der Switch funktioniert hat, sprich TV-Modus, Handheld-Modus und lokales Multiplayer-Feeling auf Knopfdruck.

Im zweiten Interview wurde es deutlich technischer und der Fokus lag auf dem neuen SoC (System-on-a-Chip), der der Switch 2 mehr Power und Energieeffizienz verleihen soll. Hierzu wurde auch erläutert, dass der neue Nvidia-Chip über dedizierte Tensor- und Raytracing-Cores verfügt, wodurch nicht nur DLSS (Deep Learning Super Sampling) für eine hochskalierte 4K-Ausgabe im Dock-Modus möglich ist, sondern auch Raytracing in ausgewählten Titeln. Das bedeutet allerdings nicht, dass Spiele nativ in 4K laufen – hier arbeitet die Konsole mit KI-gestütztem Upscaling.

Im Entwickler-Interview Nummer drei drehte sich die Story um die neuen Joy-Cons, deren drahtlose Verbindung, verbesserte Ergonomie und die Ladeelektronik. Hier hat man offenbar viel aus den Fehlern der ersten Generation gelernt und ausgemerzt. Unter anderem ersetzt eine magnetische Verbindung die mechanische Schiene, was die Stabilität erhöhen soll und eine leichtere Anbringung ermöglicht. Zudem wurde der neue C-Knopf integriert, der direkt den GameChat-Modus aktiviert, also integrierten Voice-Chat erlaubt. Trotz neuer Form (1,5 cm höher) bleiben die alten Joy-Cons weiterhin nutzbar, wobei man weder mit ihnen noch dem alten Pro Controller, der ebenfalls kompatibel ist, die Konsole aus dem Standby einschalten kann. Zudem lassen sich die alten Joy-Cons natürlich auch nicht an der Switch 2 laden. Dennoch sind das zumindest für all diejenigen, die ihre Switch nicht direkt verkaufen wollen, erst mal gute Nachrichten.

Das bringt uns zum aktuellen, vierten Teil und dem Thema Abwärtskompatibilität.

Eine neue Abstraktionsebene – mit alten Kompromissen

Nintendo erläutert in diesem Teil, wie es technisch gelungen ist, ältere Switch-Titel auf der neuen Plattform lauffähig zu machen. Eine speziell entwickelte Software-Ebene emuliert das Verhalten der alten Switch, ein durchaus cleverer Ansatz, der laut den Entwicklern nur minimale Performancekosten verursachen soll. Klingt erstmal gut.

Aber, wer die Diskussionen rund um nicht lauffähige Spiele verfolgt hat, weiß, dass sich diese Aussage nicht auf das komplette Line-up übertragen lässt. Immer wieder tauchen Berichte über Spiele auf, die mit der neuen Switch nicht oder nur eingeschränkt funktionieren – darunter über 100 Titel, viele davon mit hardwarenahen Optimierungen wie z. B. Nintendo Labo VR.

Offiziell wird das Thema bislang eher weg ignoriert und Nintendo hat sich auch in diesem Interview nicht dazu geäußert, was letztendlich ein bewusstes Weglassen von Informationen bedeutet. Es wurde nur gesagt, dass der Fokus bei der Entwicklung nicht auf der Abwärtskompatibilität der Spiele lag, sondern dieses Feature erst zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Backlog gezogen wurde. Hier war die Entwicklung der Hardware aber schon so weit vorangeschritten und dabei so weit von der Architektur der ersten Switch entfernt, dass man keine native Lösung mehr finden konnte.

Es musste also Emulation her. Da diese aber sehr viele Ressourcen braucht und somit vor allem die Akkus zum Glühen bringen würde, hat man sich dafür entschieden, eine „Übersetzungsschicht“ einzubauen, die deutlich weniger rechenintensiv sein soll, aber alte Switch-Spiele „live“ in Switch 2 Code übersetzt. Hier liegt dann wohl auch der Hase im Pfeffer begraben, weswegen eben nicht alle Spiele kompatibel sein werden. Auch viele Indie-eShop-Spiele werden wohl nicht ohne Weiteres laufen. Hier bleibt aber abzuwarten, ob und inwieweit Nintendo im Laufe der Zeit noch nachbessern kann.

Fokus verloren?

Was mich insgesamt etwas ratlos zurücklässt, ist die Frage, worauf Nintendo bei der Entwicklung der Switch 2 eigentlich seinen Fokus gelegt hat. Technisch wurde einiges verbessert – aber vieles blieb dann doch beim Alten. Gleichzeitig wirken die Entscheidungen in Bezug auf z. B. die Abwärtskompatibilität, das Display, die Akkukapazität oder die Zielgruppe der Konsole selber unklar oder halbgar. Als ob man Angst hatte, etwas falsch zu machen – und dabei den Mut verloren hat, etwas wirklich Neues zu schaffen, eben genau das, wofür Nintendo eigentlich immer stand.

Fazit

Die Switch 2 wird mit ziemlicher Sicherheit kein Desaster wie noch die Wii U und damit wohl auch ein kommerzieller Erfolg. Nintendo versteht es wie kein Zweiter, seine treue Gefolgschaft mit wenigen Brotkrumen aus Nostalgie, Markenpower, cleverem Marketing und natürlich (innovativer) Hardware an sich zu binden. Aber als jemand, der Technik nicht nur nutzt, sondern auch hinterfragt, bleibt bei mir ein fader Beigeschmack.

Vieles fühlt sich nach mehr vom Gleichen an – und manches wie ein verpasster Neustart, nicht aber das, was ich von Nintendo erhofft habe. Man kann aber natürlich auch nicht immer das Rad neu erfinden und wenn doch, hätte man vielleicht den Hybriden-Ansatz wieder aufgeben müssen. Viele Fragen, ein starker wirtschaftlicher Druck, eine unbarmherzige Industrie und eine herausfordernde Zeit – allesamt Punkte, die ihren Teil zu den Entscheidungen, die in Kyōto getroffen werden mussten, beigetragen haben dürften.

ChatGPT-Image-12.-Apr.-2025-21_52_29-1024x683 Nintendo Switch 2: Viel Aufwand für wenig Veränderung?

Doch klar ist: Nintendo hat sich verändert. Ging es früher immer darum, Innovation und das bestmögliche neue Spielerlebnis zu fördern, scheinen wir jetzt eine Firma vor uns zu haben, der es vorrangig um Stabilität und Wiederholbarkeit geht; vielleicht ein kleiner Hoffnungsschimmer für ein paar N64-Remakes und ein neues Wave Race. 😅

Vielleicht sind wir hier ein wenig im Dark-Knight-Dilemma: Die Switch 2 ist nicht die Konsole, die wir brauchen, sondern die Konsole, die wir verdienen – Gamer, die zwar immer laut schreien, wenn ihnen dieses und jenes nicht passt, aber am Ende dann aus reinem FOMO oder auch purer Ignoranz trotzdem der Gaming-Industrie ihr Geld hinterherschmeißen.

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