Reif für die Insel

Dienstag Abend war es mal wieder so weit, nach einem langen und anstrengenden Arbeitstag ging es ins Kino. Ich war echt müde, weil ich die Nacht nicht gut und nur wenig geschlafen hatte, und ich wusste, dass mich mit Eden nicht unbedingt seichtes Popcorn-Kino erwarten würde. Dennoch war ich wirklich gespannt auf den Film, dessen Trailer ich sehr interessant fand.
Die Geschichte basiert lose auf wahren Begebenheiten und zeigt, wie die junge Familie Wittmer auf die Galápagos-Inseln auswandert. Das hört sich ein bisschen nach dem Trash-TV-Format „Goodbye Deutschland“ an und ganz unähnlich ist es sich nicht mal, wenn man sieht, wie dramatisch sich die ganze Geschichte entwickelt. Wichtig zu erwähnen: Das Ganze spielt kurz nach dem 1. Weltkrieg, der Film beginnt im Winter 1923. Zugegeben, von den Jahreszeiten merkt man nicht allzu viel so nah am Äquator; hier sind eher Dürre- und Regenperioden das Thema.
Diese junge Familie – bestehend aus Heinz (Daniel Brühl), Magret (Sydney Sweeney) und Sohn Harry (Jonathan Tittel) – wandert auf die Insel Floreana aus, weil die Behandlung von Harry in Deutschland kaum noch möglich scheint. Der Junge leidet unter einer seltenen Lungenkrankheit, und die Ärzte sehen in dem feuchten, rauchgeschwängerten Klima der Nachkriegsstädte keine Heilungschancen mehr.
Doch sie sind nicht die ersten Bewohner dieses wunderschönen und doch so menschenfeindlichen Fleckens Land mitten im Meer. Auf der Insel leben bereits seit einiger Zeit Dr. Friedrich Ritter (Jude Law), ein desillusionierter Philosoph und Arzt, und seine Partnerin Dore Strauch (Vanessa Kirby), die an Multipler Sklerose leidet. Beide träumen von einem Leben jenseits gesellschaftlicher Zwänge – naturverbunden, kompromisslos, fast schon missionarisch in ihrer Ablehnung der alten Welt. Die beiden wirken ein wenig wie die erste Aussteiger-Kommune. Ritter verfasst regelmäßig Briefe über seinen Alltag auf der Insel und seine neuesten Erkenntnisse, die er an Zeitungen auf der ganzen Welt schickt. Durch genau diese Briefe werden nicht nur die Wittmers auf das kleine Eiland aufmerksam, sondern auch die überaus durchtriebene und narzisstische Baroness (Ana de Armas).
Lost in Paradise
Eben diese exzentrische und selbsternannte Baronin trifft nicht allein auf der Insel ein, sie bringt neben ihren zwei Liebhabern auch einen Bauarbeiter im Schlepptau mit. Ihr Ziel, auf diesem paradiesischen Fleckchen Erde ein Luxushotel zu errichten, das sie „Hacienda Paradiso“ nennt. Doch mit ihrer Ankunft beginnt ein gefährliches Spiel. Eitelkeiten, Misstrauen und Machtansprüche treffen aufeinander – und die fragile Gemeinschaft beginnt zu bröckeln. Was sich zunächst nach Aussteigerromantik anhört, entpuppt sich immer mehr als düsteres Kammerspiel unter freiem Himmel. Auf engem Raum, mitten im Ozean, kehrt all das zurück, was man eigentlich hinter sich lassen wollte.
Die unberührte Natur Floreanas dient als beeindruckende Kulisse für das sich zuspitzende Drama. Die Isolation der Insel verstärkt die psychologischen Spannungen zwischen den Charakteren, deren unterschiedliche Ideale und Lebensentwürfe zunehmend kollidieren. Intrigen, Machtspiele und menschliche Gier führen zu einer dramatischen Eskalation, die das vermeintliche Paradies in einen Albtraum verwandelt.
Letztendlich konnte ich es am Ende kaum glauben, dass die Geschichte, wenn auch nur lose, auf wahren Begebenheiten beruht. Einige Szenen waren mir hier und da etwas zu sehr in die Länge gezogen, andere wiederum waren einfach aufgrund der Charakterentwicklung unangenehm energiezehrend. Dennoch war Eden für mich ein besonderes Filmerlebnis. Regisseur Ron Howard hat zusammen mit seinem hochkarätigen Cast, in dem sogar Sydney Sweeney mal mehr als nur ihre Brüste von sich zeigen konnte und der eindrücklichen Musik von Hans Zimmer, einen spannenden Film auf die Leinwand gebracht, der den Zusammenprall von Idealismus und Realität unbarmherzig hart und doch surreal wirken lässt.
Sicher keine Empfehlung, wenn an einem tristen Tag gute Laune braucht – aber dennoch eine deutliche Empfehlung und zwar nicht nur für einen verregneten Sonntagnachmittag.
Diese Kritik findest du auch in englischer Sprache auf meinem Letterboxd-Profil.
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